Berufsverband kritisiert Frauen Union – Leitantrag für Prostitution geht am Thema vorbei
Positionen namhafter Organisationen gegen ein Sexkaufverbot
Innerhalb der CDU/CSU wurde das hochbrisante Thema Prostitution an deren Frauenabteilung abgegeben. Die Frauen Union hat schon im Jahre 2020 gefordert: „Sexkauf von Freiern ist unter Strafe zu stellen.“
Am heutigen Sonntag wird dazu ein Leitantrag erarbeitet. Der Bundesdelegiertentag der Frauen Union legt dabei einen Schwerpunkt auf die Perspektive: „Frauen in der Prostitution – entwürdigt und zur Ware degradiert“.
Wir als Berufsverband für Sexarbeitende halten das Sexkaufverbot für nicht zielführend. Wir sehen darin einen Wunsch nach einer einfachen Lösung für ein hochkomplexes Themenfeld. Eine notwendige Auseinandersetzung mit den wirklichen Problemen findet nicht statt.
Zur Begründung für den Erfolg des Sexkaufverbotes gibt es keine wissenschaftlichen Studien. Schicksale einzelner Sexarbeiterinnen werden nicht auf Ursachen und individuelle Hilfsansätze untersucht, sondern pauschal als Maßgabe für die komplette Branche genommen.
In der Sexarbeit spiegelt sich analog zu anderen Bereichen der Gesellschaft das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern sowie migrantischen Arbeiter*innen wieder. Hier zu kriminalisieren bedeutet, die Arbeitsbedingungen des potenziell marginalisierten Klientels noch mehr zu verschlechtern.
Umstiegsprogramme für Sexarbeitende mit dem Wunsch, sich beruflich zu verändern, sind wichtig, aber dafür braucht es kein Sexkaufverbot.
Im Folgenden finden sich Positionierungen weiterer Organisationen gegen ein Sexkaufverbot bzw. das nordische Modell:
Deutsche-Aidshilfe
„Internationale Studien und Erfahrungen in Ländern wie Schweden und Frankreich zeigen: Jede Form der Kriminalisierung von Prostitution schützt die Sexarbeiter_innen nicht, sondern erhöht das Risiko, dass sie Opfer von Gewalt oder anderen Straftaten werden und sich sexuell übertragbare Infektionen zuzuziehen.“
https://www.aidshilfe.de/sexkaufverbot-verhindern-unterstuetzung-statt-nordisches-modell
bufas e.V. (Bündnis d. Fachberatungsstellen f. Sexarbeiterinnen u. Sexarbeiter)
„… es wird häufig dargestellt, dass das Sexkaufverbot keine negativen Konsequenzen für Sexarbeiter*innen habe, oder deren Situation sogar noch verbessere. Dagegen positioniert sich der Bufas entschieden. Auch innerhalb Deutschlands hat man durch restriktive Verordnungen (…) nicht die Prostitution und die Nachfrage vor Ort verhindert, sondern lediglich bewirkt, dass die Arbeitsbedingungen sich verschlechtern und die Vulnerabilität durch Abhängigkeitsverhältnisse und Ausbeutung erhöht werden.“
Dt. Institut für Menschenrechte
„Dieses sehr sichtbare und daher gut kontrollierbare Segment [der Straßenprostitution] wird weniger. Ob auch das gesamte Ausmaß von Prostitution durch ein Verbot abnimmt oder ob lediglich eine Verdrängung in andere, weniger sichtbare Bereiche der Prostitution stattfindet, ist umstritten. Aus menschenrechtlicher Perspektive entscheidender ist, dass diese Forschung deutlich unerwünschte Folgen einer Verbotslösung zeigt, nämlich ein erhöhtes Risiko sexuell übertragbarer Erkrankungen sowie von Gewalterfahrungen. Menschenhandel nimmt dadurch nicht ab.“
https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/detail/prostitution-und-sexkaufverbot
Diakonie Deutschland
„Verbote verhindern weder Prostitution, noch dämmen sie ihre negativen Auswirkungen ein. Wo tatsächlich Zwang und Gewalt eine Rolle spielen, bieten Verbote keinen Schutz. Für die Wirksamkeit des Nordischen Modells gibt es keine sicheren Belege.“
https://www.diakonie.de/pressemeldungen/diakonie-fuer-mehr-unterstuetzung-statt-sexkaufverbot
Deutsche STI Gesellschaft
„In Nordirland wurden Daten von der Queen’s University Belfast vor und nach der Einführung eines Sexkaufverbots erhoben und erlauben somit einen Vergleich. Nach Einführung des so genannten Sexkaufverbots waren weder eine Reduktion der Nachfrage noch der Anzahl von Sexarbeitenden zu beobachten; auch ein Einfluss auf die Zahlen von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung war nicht feststellbar.“
https://www.stiftung-gssg.org/wp-content/uploads/2021/03/Statement-DSTIG-Doku-3SAT_210322_GS.pdf
Amnesty International erklärt, warum die Entkriminalisierung der Sexarbeit wichtig ist:
„Wenn nicht nur ihre Tätigkeit, sondern auch ihr Arbeitsumfeld entkriminalisiert ist, gibt das den oft marginalisierten und abhängigen Menschen im Sexgewerbe mehr Möglichkeiten, unabhängig zu arbeiten, sich zu organisieren und sich selber für ihre Rechte zu wehren.“
Hier finden Sie diese Pressemitteilung als PDF.
Ansprechperson
Johanna Weber
politische Sprecherin des BesD e.V.
0151 – 1751 9771
johanna@besd-ev.de
Weitere Informationen:
- Beschlussfassung der Frauenunion vom 29.6.2020: https://www.frauenunion.de/sites/www.frauenunion.de/files/beschluesse/beschluss_buvo_perspektivwechsel_jetzt_29.06.2020.pdf
- Berufsverband kritisiert Bundestagsabgeordnete Bär: „Sexkaufverbot schadet jenen, denen es helfen soll” (Pressemitteilung vom 13.09.2023): https://dev.berufsverband-sexarbeit.de/index.php/2023/09/13/besd-kritisiert-union-sexkaufverbot/